© Mathäus Gartner
Frühlingserwachen der Natur in der Region Wilder Kaiser
Wenn grüne Wiesen rotsehen

Freie Fläche ≠ freier Eintritt

von Maria Sevignani Erstellt am 18. April 2024

für Tierliebhaber*innen für Sommermenschen für Naturfreund*innen für kleine & große Entdecker*innen für Wissenshungrige

Langlaufen und Winterwandern sind Schnee von gestern. Jetzt regiert wieder sattes Grün die Wiesen und Felder unsere Region. Warum Grün-, Weideflächen und Almwiesen das Betreten oder Befahren aber so gar nicht mögen, erzählen wir hier ...

Verlockend sind sie ja allemal, die saftigen Wiesen und Felder hier in der Region und doch mögen sie es nicht, von Menschen, Fahrrädern, Autos und/oder Hunden begangen, befahren oder gar besch... zu werden. Entschuldigt bitte diese plumpe und vulgäre Herangehensweise an das Thema, eigentlich wollten wir nur schnell eure volle Aufmerksamkeit. Denn: hinter jeder grünen Wiese steckt nicht nur ein/e Besitzer*in sondern auch ein Zweck. Gemeinsam mit Flurwächter Gerhard Wurnig haben wir uns deshalb in Sachen Naturschutz mal wieder auf Spurensuche begeben und mit Thomas Niedermühlbichler („Pfitscherbauer“, Ellmau) und Jakob Steiner („Hinterschießling Alm“, Scheffau) zwei Landwirte getroffen, die uns vor Augen geführt haben, was viele von uns vielleicht einfach nur vergessen haben ...

Und da kommen wir ins Spiel

Flurwächter Gerhard (links) im Gespräch mit Landwirt Thomas Niedermühlbichler

„Nur weil im Winter hier eine Langlaufloipe war, heißt das nicht automatisch, dass es auch im Sommer hier lang geht“
Denn, da wo im Winter eine schützende Schneeschicht über dem Boden liegt, soll im Frühjahr ja dann das Gras wachsen. Wird dieses aber plattgedrückt, ist das aus dreierlei Hinsicht nicht optimal. Erstens für den Mäher, der das plattgedrückte Gras gar nicht abmähen kann; zweitens für die Tiere, die dadurch weniger Futter bekommen und drittens natürlich auch für die Landwirte, deren Eigentum man hier wortwörtlich mit Füßen tritt. „Ich glaube zwar, dass die meisten Menschen, die über meine Felder laufen das eher aus Gewohnheit machen, als aus Boshaftigkeit – weil sie ja im Winter hier auch Langlaufen oder Winterwandern, aber trotzdem ist es für unsere Felder nicht gut“, versucht Thomas die „Fehltritte“ nachzuvollziehen. „Aber ich geh‘ ja zum Beispiel auch nicht einfach auf das Grundstück oder in den Garten eines Fremden hinein“ meint er weiter.

Und da hat er natürlich Recht. Denn „die Gesetzeslage sieht vor, dass man fremdes Eigentum nur mit der Erlaubnis des Grundstückbesitzers betreten darf. Andernfalls drohen sogar Geldstrafen bis zu 2.200 Euro“ weiß Flurwächter Gerhard. Und Thomas erwidert: „Wenn alles eingezäunt ist, wäre die Hemmschwelle vielleicht größer, nicht einfach so reinzulaufen? Aber ideal ist diese Lösung sicherlich auch nicht. Aber sei’s wie’s sei“ so sagt er, „das Begehen oder Befahren (einige nehmen gern querfeldein eine Abkürzung mit dem Fahrrad) ist ja eigentlich eh noch das kleinere Übel“. Noch mehr stinkt ihm – im wahrsten Sinne des Wortes - die Tatsache, dass viele Hunde das Feld auch dazu benützen, um ihr Geschäft darin zu verrichten. „Oft landet sogar der Hundekot samt Sackerl bei uns im Feld,“ erzählt er. Was der Bauer so ganz und gar nicht nachvollziehen kann.

Nicht nur unappetitlich sondern auch gefährlich

„Unsere Felder sind ja auch die Futterquelle für unsere Tiere. Und im Hundekot sind ganz viele Parasiten. Das kann dann für die Kühe schon auch echt zu einer Gefahrenquelle werden“ erklärt er uns. „Es kann sogar soweit gehen, dass die Tiere qualvoll verenden oder es zu Fehlgeburten kommt.“ Und spätestens da sollte der Spaß ja dann wohl wirklich aufhören. „Ganz abgesehen davon, dass ich auch selbst nicht gerne in den Hundekot reinsteige, wenn ich meine Felder mähe“ ergänzt er augenzwinkernd. „Und auch das beliebte „Steckerl werfen“ ist ein echtes Problem für uns“ erzählt er uns. „Denn, diese Steckerl bleiben dann ja meist einfach im Feld liegen und wenn das dann irgendwie blöd in den Mäher reinkommt, kann das sogar die Maschine kaputt machen, oder es wird jemand verletzt, wenn er neben dem Mäher geht und die Steckerl durch die Gegend geschleudert werden“ ...
Und wieder orten wir eine vermutliche „Unwissenheit“ bei den Hundebesitzer*innen, denn über die Konsequenzen eines Steckerls im Feld hat vermutlich noch niemand so richtig nachgedacht.

Ein Fall für die Tonne

Anders sieht es aber wohl beim (mutwilligen) Ablagern von Müll aus. Denn, was Dosen, Flaschen und Co. für Schäden an der Umwelt anrichten, muss hier wohl sicherlich nicht weiter ausgeführt werden. Auch wenn Thomas gerne noch ergänzt: „Wenn ich mit meinem Mäher über eine Glasflasche fahre, zerschellt diese in 100.000 Stücke und was Glasscherben in Kuhmägen anrichten können, kann sich sicher auch jeder denken“ Deshalb: beim nächsten Spaziergang vielleicht einfach wieder mal dran denken, den Müll nicht einfach achtlos fallen zu lassen. Da freuen sich nicht nur Thomas und wir, sondern auch die Umwelt.

Und: „Auf der Alm gibt’s koa Sünd“?

Jakob Steiner und Flurwächter Gerhard

Oder vielleicht einfach nur ein bisschen weniger. Zumindest dann, wenn man den Ausführungen von Jakob Steiner glauben darf. Denn, so der Betreiber der Hinterschießling Alm in Scheffau: „Hier bei uns am Berg, hab‘ ich in den letzten Jahren tatsächlich ein gewisses Umdenken wahrgenommen. Die Leute scheinen wieder etwas bewusster geworden zu sein und wissen die Natur wieder mehr zu schätzen. Das merke ich glücklicherweise auch was das Liegenlassen von Müll oder Hundekot betrifft,“ so Jakob und ergänzt spitzbübisch: „Vielleicht aber liegt’s auch an den Mülleimern, die ich hier aufgestellt habe“. Womit er seinen Gästen tatsächlich einen ganz besonderen Service bietet, denn normalerweise gibt es auf der Alm keinen Mistkübel - denn hier kommt ja auch keine Müllabfuhr um ihn zu entleeren. Deshalb nimmt man seinen Müll selbst wieder vom Berg mit hinunter und schmeißt ihn im Tal weg. "Nein, im Ernst“ sagt er „je höher man raufkommt, desto näher kommt man ja auch der Natur und desto ausgeprägter ist vermutlich dann auch das Schutzbedürfnis für eben diese Natur.“ Doch ganz ohne „Meckern“ geht’s dann leider auch hier nicht, stellen wir fest.

„Letzte Kuh macht’s Gatterl zu“

„Eine Sache, die ich hier heroben allerdings schon noch ansprechen möchte, ist das Verhalten mit den Gatterln (= Tor im Zaun): Wenn ein Weg nämlich durch ebensolches Gatterl geschlossen ist, kann man diesen zwar meist dennoch problemlos weitergehen, sollte aber das Gatter danach unbedingt auch wieder zumachen. Denn es ist aus gutem Grund da. Meistens nämlich, dass uns die Tiere nicht abhauen können“ so Jakob. „Und: ich appelliere auch an die Hundebesitzer, dass sie ihre Hunde Anleinen. Denn gerade bei Mutterkuhhaltung haben die Tiere einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, da könnte es - durch freilaufende Hunde - schon mal zu Missverständnissen kommen“, meint er und ergänzt augenzwinkernd weiter: „Dasselbe gilt übrigens für Kuh-Selfies. Ich übernehme keine Haftung dafür, was meine Kühe mit Handys machen“ lacht er. „Und jetzt, wo wir schon einmal dabei sind, könnten wir vielleicht auch noch darauf hinweisen, dass beispielsweise auch nicht alle Wege hier oben fahrradtauglich sind bzw. es schlichtweg oft nicht erlaubt ist einen Weg mit dem Rad zu befahren; oder, dass man Wege grundsätzlich nicht verlassen sollte, denn das zerstört die Vegetation oder schreckt Wildtiere; oder, dass das hohe Gras kein idealer Ort für ein Picknick ist; oder Wildcampen bei uns in Tirol nicht erlaubt ist auch nicht am Berg“ ...

Aber eigentlich wollen wir ja gar nicht mit dem erhobenen Zeigefinger dastehen und euch belehren, sondern lediglich das Bewusstsein wieder ein bisschen (nach)schärfen. Und wenn auch nur der ein oder andere von euch, beim nächsten Spaziergang an diesen Bericht denkt, haben wir - oder besser: die Natur - schon etwas gewonnen.

Maria Sevignani

Als freie Texterin und Redakteurin schreibt „dieschreibmenschin“ lieber für andere als über sich selbst. Wer dennoch etwas über sie wissen will: Die 2-fach-Mama bringt die Dinge gern auf den Punkt (weil sie Beistriche nicht mag) und schreibt ihre Texte mit links (weil sie‘s mit rechts nicht kann). Ihre Ideen-Berge sind mindestens so hoch wie der Wilde Kaiser, der ihr täglich vom Bürofenster aus zulächelt. Und wenn Maria nicht gerade in die Tasten haut, haut sie sich gern auf ihre Yogamatte, auf’s Bike, an den See oder in die Berge ...

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