Einst konnte er sich nicht vorstellen von Söll bis zum Hintersteiner See zu laufen – am vergangenen Wochenende holte Jack Chamberlain seinen ersten Sieg bei einem 100-Kilomter-Rennen. Warum Dauerregen und Schlamm offenbar genau „sein Wetter“ sind, die Region Wilder Kaiser die perfekte Trainingsregion für den UTMB im September ist und er sich auch dort Chancen auf eine sehr gute Platzierung ausrechnet, hat der Söller mit britischen Wurzeln dem Wilder Kaiser Blog erzählt.
Am Wilden Kaiser und in der Community kennt man ihn längst, nun hat sich Jack Chamberlain auch über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht: Am Wochenende hat der Läufer aus Söll mit britischen Wurzeln den Mozart100 gewonnen. Wie der Veranstaltungstitel schon sagt, ging es auf 105 Kilometern und 5.400 Höhenmetern durch das Salzburger Land. Und das bei wahrlich unangenehmen Bedingungen: Nach Dauerregen vor und während dem Rennen konnte sich Jack in einer 11-stündigen Schlammschlacht gegenüber der Konkurrenz durchsetzen und sein erstes 100-Kilometer-Rennen gewinnen.
Schon im Vorjahr hatte er an dem Rennen, das Teil der UTMB-Serie ist, teilgenommen, den hervorragenden 3. Platz erreicht und sich damit bereits damals für die Teilnahme am UTMB 2024, Anfang September in Chamonix qualifiziert. Dass er den Mozart 100 dieses Jahr gewinnen könnte, hatte er zwar „für möglich gehalten“, aber damit gerechnet hatte er nicht: „Dass es möglich ist, wusste ich in meinem Inneren. Ich wollte diesmal mit mehr Selbstbewusstsein in das Rennen gehen als vergangenes Jahr, wo mein Ziel ‚nur‘ war, mich für den UTMB zu qualifizieren. Und dann wurde ich sogar Dritter. Also wollte ich diesmal gleich mit einem anderen Zugang ins Rennen gehen – und das hat sich offenbar bewährt.“
Was ihm dieser Sieg für den UTMB Anfang September – also den Ultra-Trail du Mont-Blanc und damit das wohl prestigeträchtigste Rennen im Bereich Trail- bzw. Ultra-Running, der die Läufer*innen auf 100 Meilen (171 Kilometer) und rund 10.000 Höhenmeter durch drei Länder und eben einmal um das Mont Blanc Massiv führt – gibt? „100-Meilen- und 100-Kilometer-Rennen sind schon sehr unterschiedlich, insofern kann man da jetzt keine direkten Schlüsse daraus ziehen. Es ist aber auf jeden Fall dahingehend ein ‚Boost‘ fürs Selbstbewusstsein, als dass strategische ‚Moves‘ gegenüber den anderen Läufern funktioniert haben und dass ich den so gewonnen Vorsprung bis ins Ziel bringen konnte“, so Jack.
Wenngleich er selbst zu bedenken gibt, dass der UTMB dann noch mal um 70 Kilometer länger ist – auch auf dieser Distanz hat Jack schon Erfahrung und einen beachtlichen Erfolg vorzuweisen, so hat er vergangenes Jahr am KAT100, der ja quasi in der Nachbarschaft stattfindet, teilgenommen. Und gleich bei seinem ersten Antreten auf der 100-Meilen-Distanz den 5. Platz geholt. Ebenfalls bei sehr anspruchsvollen Bedingungen, auch bei diesem Rennen hat es stundenlang geschüttet – aber das sind offensichtlich Verhältnisse, die Jack entgegenkommen. „Anscheinend ist das genau ‚mein Wetter‘. Natürlich sind solche Bedingungen für alle unangenehm, auch für mich, aber ich kann gut damit umgehen. Einerseits mag ich den ‚Abenteuer-Charakter‘, den so ein Wetter mit sich bringt, andererseits bin ich vor allem in den rutschigen Downhills beim Mozart100 sehr gut zurecht gekommen, weil ich eine gute Technik mit den Stecken habe – hier hilft es vielleicht auch, einen Skifahr-Hintergrund zu haben“, analysiert Jack seine Stärken bei rutschigem Untergrund.
Apropos Stärken: Dazu zählt bei Jack ganz sicher auch die Ernährung, die bei langen Distanzen über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Denn wer 100 Kilometer läuft, muss auch dementsprechend Kalorien zu sich nehmen – was bei durchgehender, körperliche Anstrengung alles andere als einfach ist. Insofern bringt das beste Training der Welt nichts, wenn man es beim Rennen nicht schafft, die nötige Nahrung runter zu bekommen (und bei sich zu behalten). Dass Jack hierbei ein wahrer „Tüftler“ ist und nach vielen Jahren ausprobieren die perfekte Abstimmung für sich gefunden hat, lässt ihn auch mit einem guten Gefühl und großen Zielen in den UTMB gehen: „Beim UTMB sind sehr viele extrem gute und talentierte Läufer am Start, ich bin sicher kein Favorit. Aber trotzdem glaube ich, dass ich sehr gut sein kann – ich nehme mir eine Top-20-Platzierung vor. Denn auch hier wird die Ernährung wieder ein entscheidender Faktor sein. Genau deshalb mag ich die langen Distanzen so gerne: Auf 100 Meilen kann so viel passieren, egal wie gut oder talentiert du bist. Da kann man auch jemand schlagen, der am Papier viel besser ist als man selbst – etwa weil man das mit dem Essen gut hinbekommt.“
Aber nicht nur bei den UTMB-Bewerben, auch bei seinen „Heimrennen“ in der Region Wilder Kaiser hat Jack schon gewonnen bzw. Top-Platzierungen erlaufen. So hat er bei der Tour de Tirol, dem Lauf-Klassiker in seinem Heimatort Söll, den Ultra gewonnen, der nur einmal als „Spezialbewerb“ zum 15-Jahre-Jubiläum der Tour de Tirol im Jahr 2021 ausgetragen wurde. Ist „normal“ das einzigartige an diesem Bewerb, dass er sich aus drei Rennen an drei Tagen zusammensetzt, so hieß es beim Ultra alle drei Bewerbe (rund 75 Kilometer und ca. 4.100 Höhenmeter) am Stück zu laufen – also genau das Richtige für Jack, der wie erwähnt auf den langen Distanzen „zuhause“ ist. „Ich mag an den langen Distanzen, dass man einfach viel mehr Möglichkeiten hat, seine Strategie umzusetzen. Selbst wenn man 15 Minuten hinten ist – auf 100 Kilometern passiert bei allen vielen und kann das noch aufholen. Das ist auf kurzen Distanzen nicht möglich. Außerdem mag ich es wesentlich lieber, lange ein langsameres Pace zu laufen, als sich über eine kurze Zeit extrem zu quälen.“
Wilder Kaiser als perfekte Trainingsregion
Heuer wird Jack den Sommer am Wilden Kaiser dazu nutzen, um sich bestmöglich auf DAS Rennen, also den UTMB, vorzubereiten. Warum die Region rund um seinen Heimatort Söll dafür die perfekten Voraussetzungen bietet? „Die Region bietet einfach alles, was ich für mein Training brauche. Auf der ‚SkiWelt-Seite‘, also dort wo sich im Winter Skifahrer*innen tummeln, gibt es laufbares Terrain ohne Ende. Gegenüber liegt der Wilde Kaiser, wo es alpines, sehr technisches Gelände gibt. Das einzige, was hier schwer zu finden ist sind flache Abschnitte – aber die brauche ich für den UTMB nicht wirklich, mein Training wird sehr viel Auf- und Ab, also sehr viele Höhenmeter inkludieren und dafür hat die Region die allerbesten Voraussetzungen.“
Die vielfältigen Trainingsmöglichkeiten waren es auch, die Jack seinerzeit überhaupt dazu bewogen haben, Söll und den Wilden Kaiser zu seinem Lebensort zu machen. Genaugenommen war es erst die Region Wilder Kaiser, die seine Leidenschaft zum Laufen geweckt oder besser wiedererweckt hat. So war Jack in seiner Schulzeit zwar Captain des Cross Country Running Teams, spätestens als Teenager interessierte ihn das Laufen aber nicht mehr. „Auch in meinen 20ern bin ich eigentlich nicht gelaufen. Erst als ich hier in Söll war, fing ich wieder damit an.“ Und das hatte er einem Neuseeländer namens David Power zu verdanken – denn der kippte damals gerade in den noch jungen Sport „Trailrunning“.
Und während es für Jack damals „irre“ klang, dass jemand tatsächlich von Söll bis hinauf zum Hintersteiner See läuft (also rund 10 Kilometer und ca. 300 Höhenmeter), muss er heute selbst darüber schmunzeln, wie sehr sich die Grenzen des Vorstellbaren bzw. des Machbaren verschieben. Natürlich nicht von selbst – zwischen dem damaligen, ersten gemeinsamen Trailrun mit Dave Power und dem heurigen Antritt beim UTMB, liegen inzwischen 10 Jahre des konsequenten Trainings und Aufbaus – denn Ultra-Läufer wird man nun mal nicht von heute auf morgen.
Familäre Unterstützung macht's möglich
Und: Erfolgreicher Ultra-Läufer wird man auch nicht ohne Unterstützung. So weiß Jack ganz genau, was er an seiner Familie und insbesondere seiner Partnerin Katalina hat, die ihn während den Rennen an den Labstationen unterstützt: „Katalina ist eine sehr organisierte und effiziente Person, es ist unglaublich gut sie als meine Betreuerin in den Aid-Stations zu haben. Als Team können wir schneller sein als alle anderen. und auch wenn der Plan einmal während dem Rennen adaptiert werden muss, löst sie jedes Problem – etwa beim Mozart, als ich an der ersten Station Schuhe wechseln oder meinen Ernährungsplan spontan ändern musste, weil ich aufgrund der Kälte beim Rennen weniger getrunken habe als erwartet“, beschreibt Jack die kleinen Details, die bei langen Rennen aber große Unterschiede machen können. Zu wissen, dass dann auch seine beiden Töchter, Clara und Lilly, an der Ziellinie auf ihn warten werden, gibt ihm auch in schwierigen Phasen des Rennens Kraft: „Ich denke während dem Rennen viel an sie. Ich habe ein Freundschaftsband von ihnen, das ich auch bei Rennen immer dabeihabe und das hilft mir stets, positive Gedanken zu fassen und durchzuhalten.“
Bleibt nur noch die Frage zu klären, wie es den Briten überhaupt in das beschauliche Örtchen Söll am Wilden Kaiser verschlagen hat. 2011 kam Jack erstmals hierher, um in der Wintersaison als Skilehrer zu arbeiten. Das machte ihn zu einem richtigen Ski-Enthusiasten, der jeden Winter auf Neue nach Söll zurückkehrte. Im Jahr 2015 fasste er dann Entschluss seinen Lebensmittelpunkt ganzjährig hierher zu verlegen und eröffnete in Söll eine Bar Namens Jamjar. Und auch wenn er 2015 regelmäßger mit dem Laufen begann und beim Pölventrail, der einer von drei Teilen bei der Tour de Tirol ist, erstmals am Start eines Wettbewerbs stand – so professionell wie heute war sein Training keineswegs, das sollte noch ein paar Jahre dauern. Die Bar hat Jack inzwischen nicht mehr, aber als ein Teil von „Jelly and the Goat“, sieht bzw. hört man den Läufer, der in seinem „Brot-Beruf“ Musiker ist, regelmäßig in der Region und darüber hinaus. Also egal ob in sportlicher oder musikalischer Hinsicht bereichert Jack Chamberlain Söll und die Region Wilder Kaiser enorm, wir sagen Danke und alles Gute für den UTMB!
Als gelernte Journalistin freut sich die ehemalige Presse-Verantwortliche der Region Wilder Kaiser immer, wenn sie einen Beitrag für unseren Blog gestalten darf. Egal ob Bergsport, Kulinarik, Politik oder Kultur – diese Frau hat zu jedem Thema tausend Fragen und stellt sie schon mal in einer Geschwindigkeit, dass ihren Gesprächspartner*innen hören und sehen vergeht. Nur gut, dass Theresa die vielen Gespräche mit interessanten Menschen aus der Region am liebsten schriftlich dokumentiert – und hier genug Platz zum Teilen hat.
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2 Kommentar(e)
Veronica Schol
24.07.2024 - 22:23 Uhr
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