© Christina Ager
Interview Christina Ager

Die Speed-Queen aus Söll

von Theresa Aigner Erstellt am 17. Oktober 2023

für Wintermenschen für Wissenshungrige für Ski Enthusiast*innen für Schneehasen & -häschen

Das Skifahren gelernt hat sie in Söll – heute kracht sie mit mehr als 100 Stundenkilometer die steilsten Pisten der Welt hinunter: Christina Ager (27) spricht im Interview über ihre Karriere als Skirennläuferin, die aktuellen Diskussionen um den Start des Ski Weltcups und warum sie privat Skitage im März ganz besonders zu schätzen weiß.

© Theresa Aigner
Nicht nur auf Ski, auch am Hexenbesen bei der Söller Talstation fühlt sich Christina Ager sichtlich wohl

Deine Familie betreibt die Stöcklalm in Hochsöll – du bist also mitten im Skigebiet aufgewachsen. War dir immer schon klar, dass du Skirennläuferin werden willst?
Es war kein fixer Plan, aber ich bin wie du sagst auf der Stöcklalm aufgewachsen, meine Eltern haben immer gearbeitet und für mich war der Skiclub quasi wie ein Kindergarten. Ich war immer schon jeden Tag Skifahren und so hat Eines das Andere ergeben.

Bist du dann auch mit den Ski in die Schule gefahren?
Ja – vor allem an Tagen, an denen es viel Schnee gibt, kommt man mit den Ski leichter als mit dem Auto ins Tal. Und besonders cool hab ich immer gefunden, dass ich nach der Schule dann mit der Gondel nach Hause fahren kann. Da hab ich dann meistens schon die Hausübung gemacht, damit alles erledigt ist und ich gleich wieder Skifahren gehen kann.

Man wird aber nicht in der Volksschule Abfahrerin – wie kam es dazu, dass du heute im Weltcup in den Speed Disziplinen, also Super-G und Abfahrt, am Start stehst?
Je spielerischer Kinder das Skifahren betreiben können, umso besser. Also nein, ich bin mit acht Jahren noch nicht Abfahrt gefahren, sondern über den Slalom in den Weltcup gekommen. Ich bin gleich bei meinem ersten Weltcup Rennen in Levi Vierte geworden. Da war ich 17 Jahre alt und dann ist mir dieser Erfolg ein bisschen „auf den Kopf gefallen“. Die ganze Medienpräsenz, die Rede war „vom neuen Stern“ und Ähnlichem – damit konnte ich in dem Alter nicht so gut umgehen. Ich hab mir im Slalom immer schwerer getan und den Anschluss an die Spitze verloren. Dann habe ich in die Speed Disziplinen gewechselt und im Europa Cup gleich gewonnen. Mir macht die Geschwindigkeit Spaß, es ist cool sich am Limit zu bewegen. Insofern bin ich gerne dabei geblieben.

Du hattest in deiner Karriere ja auch mit Verletzungen zu kämpfen, das war sicher auch keine leichte Zeit.
Im März 2019 habe ich mir das Kreuzband gerissen, im November dann gleich nochmal. Ich dachte ich bin wieder fit, es war aber zu früh. Das ist leider auch ein Teil des Sports, die Wenigsten bleiben komplett verletzungsfrei. Man lebt mit dem Risiko, bekommt dafür aber auch die beste medizinische Versorgung vom ÖSV. Das ist mir sehr wichtig, dass ich weiß es kann was passieren, aber man bekommt auch die nötige Unterstützung. Und leider ist es schon so, dass insbesondere jene Sportarten, die auch gefährlich sind, am meisten Spaß machen.

Die Speed Disziplinen sind also insofern besonders spaßig für dich – worauf kommt es dabei am meisten an?
Es geht extrem stark um Erfahrung. Es wird leider immer von den absoluten Ausnahmen – wie etwa Mikaela Shiffrin – ausgegangen. Aber die meisten brauchen einfach Zeit, um in den schnellen Disziplinen Fuß zu fassen. Die Abfahrtsstrecken sind ja immer die gleichen, je öfter du die schon gefahren bist, umso besser.

Hast du ein Lieblingsrennen im Weltcup Kalender?
Das ist Cortina d’Ampezzo. Die Kulisse in den Dolomiten ist einfach wahnsinnig toll. Aber auch die Heimrennen sind immer ein Highlight. Insofern freue ich mich sehr auf den Heimweltcup in Zauchensee und das Saison Finale in Saalbach. Aber auch Zermatt oder St. Moritz sind ja gefühlt beinahe „zu Fuß“ erreichbar. Das ist natürlich immer das Schönste, wenn Familie und Freunde beim Rennen dabei sein können.

Apropos Weltcup Kalender: Für die Technik Disziplinen startet die Saison jetzt mit den Bewerben in Sölden. An diesem frühen Start hat es ja zuletzt auch von Seiten einiger Athlet*innen Kritik gegeben, auch medial war das Thema „Weltcup Auftakt ohne Schnee – ist das notwendig?“ sehr präsent. Wie siehst du das?
Man kann nicht mehr abstreiten, dass sich das Klima ändert, dass es immer weniger Schnee gibt, dass es immer wärmer wird. Insofern müsste man meiner Meinung nach überlegen, später zu starten und dafür länger in höheren Lagen zu fahren. Es ist aber auch mein Job zu trainieren oder zu den Rennen zu fliegen. Deshalb denke ich, es ist weniger ein Thema der Sportlerinnen und Sportler, denn die machen nicht den Rennkalender. Es wäre die Aufgabe der FIS, den Kalender anzupassen. Ich glaub schon, dass da inzwischen Bewegung drin ist – aber bei so großen Organisationen geht das nicht so schnell.

© Theresa Aigner
Christina Ager vor dem Pölven, ihrem Hausberg

Dann kommen wir wieder zurück zur Region Wilder Kaiser: Wie war dein Sommer und wie kannst du deine Heimat fürs Training nutzen?
Die Umgebung hier eignet sich natürlich sehr gut um Kondition zu trainieren. Ich war im Sommer viel in den Bergen der Region unterwegs. Trotzdem ist beim Skifahren das Krafttraining essenziell, deshalb bin ich auch in den Sommermonaten, wenn ich zuhause bin, vier Mal die Woche in Innsbruck – dort habe ich die nötige Infrastruktur inklusive Trainer, Physio, etc. Das Training „rundherum“ mache ich dann Zuhause in Söll, das ist dann auch meine Freizeit – also Berggehen und Radfahren ist hier einfach ein einziger Traum. Das ist schon sehr schön, wenn man sein Hobby als Beruf hat und das hier so leben kann.

Hast du eine Lieblings Berg- oder Radtour, die uns verratest?
Mein Hausberg ist ja eigentlich der Kleine Pölven, der eignet sich sehr gut zum Trainieren, weil man da kerzengrad steil hinauf gehen kann. Da „batteln“ wir uns oft, wer am schnellsten oben ist. Mit dem Rad fahre ich natürlich gern zu meiner Familie auf die Stöcklalm rauf, da bekomme ich dann einen Kaiserschmarren zur Belohnung.

Zum Thema Kaiserschmarren: Dafür ist die Stöcklalm ja bekannt, dass viele Produkte aus eigener landwirtschaftlicher Erzeugung serviert werden. Sei es das Fleisch oder die Eier im Kaiserschmarren. Ernährung ist im Sport auch ein sehr zentrales Thema – wie ist das bei dir?
Ich esse alles mit hoher Qualität. Das ist meiner Meinung nach der beste Weg. Das Coole bei uns Abfahrerinnen ist, ein Kilo mehr oder weniger ändert nicht viel. Am wichtigsten ist es, durch die Ernährung das maximale Energielevel raus zu holen. Das ist vor allem unterwegs teilweise schwierig. Zuhause ist das kein Problem, ich habe zum Beispiel gerade wieder ein Fleischpaket von meiner Familie bekommen. Oder auch die eigenen Eier zu essen, ist für mich normal, aber eben unterwegs nicht möglich. Insofern schauen wir, dass wir teilweise einen eigenen Koch bzw. eigene Produkte dabeihaben, aber das ist mit den Einfuhrbestimmungen und Zoll auch nicht immer möglich.

Das schätzen ja auch die Gäste beim Skifahren in der SkiWelt Wilder Kaiser – Brixental, dass auf vielen Hütten das auf den Teller kommt, was im Sommer auf den Weiden gedeiht.
Da ist mein Bruder (Andreas Ager, Landwirt und führt die Stöcklalm, Anm.) wirklich sehr vorbildlich unterwegs, er hat nicht nur das eigene Fleisch sondern macht etwa auch selber Nudeln und vieles mehr. Er ist mit extrem viel Leidenschaft dabei. Das wird auch von den Gästen wahnsinnig gut angenommen, es wird wieder mehr Augenmerk auf die Herkunft gelegt.

Was sind deine Lieblingspisten in Söll bzw. in der ganzen SkiWelt Wilder Kaiser – Brixental? Ich bin mein Leben lang eine „Schattseit-Skifahrerin“, da gibt’s mehr Schnee und es ist hart – insofern zählt der Keat-Hang definitiv zu meinen Lieblingspisten. Wenn ich nicht „zuhause“ unterwegs bin bzw. einkehre, dann bin ich ein großer AuAlm-Fan, das passt auch ernährungstechnisch, dort gibt’s auch tolle Produkte aus eigener Erzeugung.

Wie ist das dann, wenn du Zuhause in Söll bist? Behandeln dich die Leute irgendwie anders oder bist du einfach die Christina, mit der man in die Volksschule gegangen ist?
Ich hoffe es und glaube schon, dass das so ist. Söll steht seit Jahren so stark hinter mir, da bin ich extrem dankbar. Es wird immer schwieriger den Sport zu finanzieren, insbesondere wenn man nicht das absolute Ausnahmetalent ist oder auch wenn man Verletzungen hat. Da ist Söll immer hinter mir gestanden, ein riesengroßes „Danke“ dafür.

Kommst du überhaupt dazu zuhause, also in der SkiWelt, Skifahren zu gehen?
Ich schätze es sehr zuhause zu sein – vor allem im Winter ist das allerdings sehr selten möglich. Aber: Oft ist es bei uns gerade im März gewaltig zum Skifahren, das sind für mich die schönsten Skitage. Da hab ich schon wieder ein bisschen mehr Zeit. An diesen Tagen geht’s auch nicht darum irgendwelche Rekorde aufzustellen, da genieße ich die harte Piste in der Früh und wenn der Schnee dann weicher wird, setz ich mich auf die Hütte und trinke einen Aperol Spritz in der Sonne – das ist mein liebstes, privates Skifahren.

Dann vielen Dank fürs Interview, alles Gute für deine Saison und wir sehen uns dann im März auf der Hütte!

Theresa Aigner

Als gelernte Journalistin freut sich die ehemalige Presse-Verantwortliche der Region Wilder Kaiser immer, wenn sie einen Beitrag für unseren Blog gestalten darf. Egal ob Bergsport, Kulinarik, Politik oder Kultur – diese Frau hat zu jedem Thema tausend Fragen und stellt sie schon mal in einer Geschwindigkeit, dass ihren Gesprächspartner*innen hören und sehen vergeht. Nur gut, dass Theresa die vielen Gespräche mit interessanten Menschen aus der Region am liebsten schriftlich dokumentiert – und hier genug Platz zum Teilen hat.

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