Die meisten Einsätze der Bergrettung wären nicht notwendig - würden alle eine ordentliche Tourenplanung machen. Das gilt im Winter wie im Sommer. Roman Hofer von der hiesigen Bergrettung erklärt für den Wilder Kaiser Blog, worauf es beim Wintersport im alpinen Gelände ankommt.
An der Rettung jenes französischen Bergsteigers, der im Sommer 2020 mit seinem Alphorn (ja, das ist tatsächlich passiert!) aus einem schwierigen Klettersteig im Wilden Kaiser geholt werden musste, war Roman Hofer zwar nicht beteiligt - aber auch er hat in seiner mehr als 20-jährigen Bergrettungs-Tätigkeit schon einiges gesehen. „Eine Sache, die man als Bergretter auch können sollte, ist verdrängen“, sagt Roman zu Geschichten wie diesen. Seien es „Dummheiten und Absurditäten“ aber natürlich auch „schreckliche Bilder“: Sollten ihn diese Dinge jemals in der Nacht nicht mehr schlafen lassen, würde er mit seinem „Hobby“, wie er es nennt, aufhören. „Hobby“ vor allem deshalb, weil die Bergrettung ein ehrenamtlicher Verein ist - in dem niemand für seine Arbeit bezahlt wird, auch wenn sie noch so fordernd ist.
Roman Hofer war von 2012 bis 2021 Ortsstellenleiter der Bergrettung Scheffau-Sölllandl und sagt: „Wenn ich mich über jede Dummheit, wegen der die Bergrettung ausrücken muss, ärgern würde, hätte ich wahrscheinlich schon fünf Herzinfarkte gehabt“, das bringe ja auch niemand was. Und mit „Dummheit“ sind hier vor allem jene Fehler gemeint, die man durch eine ordentliche Tourenplanung vermeiden hätte können. „90 Prozent aller Unfälle am Berg passieren durch schlechte oder fehlende Tourenplanung“, teilt Roman seine ernüchternde Einschätzung. Im heurigen Sommer hatten er und seine Kollegen 60 Einsätze - das liege im Schnitt. Der tirol- bzw. österreichweite Trend, wonach es in diesem Sommer doch einen merklichen Anstieg an Einsätzen gab, habe sich in der Statistik seiner Ortsstelle glücklicherweise nicht niedergeschlagen.
Der (Touren-)Winter steht vor der Tür
Nach einem Sommer, in dem es sehr viele Menschen in die Berge gezogen hat, steht nun der Winter vor der Tür bzw. hat er schon Einzug gehalten. Ob er befürchtet, dass der Trend zum Skitourengehen noch weiter ansteigt und somit zu vermehrten Einsätzen für die Bergrettung führt? „Das Thema Skitouren gehen ist ja in den vergangenen Jahren schon immer stärker geworden - das hat vor allem in den Skigebieten zu Konflikten geführt, wir erinnern uns alle an viele Medienberichte, Videos und Co. zu dem Thema.“
Der Wilde Kaiser, also der gleichnamige Gebirgsstock sei aber ohnehin kein Skitourengebiet, in das Skitouren-Einsteiger*innen strömen würden - aber auch kleinere Touren am Fuße des Kaisers sowie die immer beliebter werdenden Sportarten wie Schneeschuh- und Winterwandern sei Tourenplanung sowie Know-How und Ausrüstung ein sehr wichtiges Thema - das im Winter noch um ein paar Facetten reicher ist. Denn während die Tage im Sommer lang und meist warm sind, gibt’s im Winter weniger Tageslicht und das Element Schnee spielt eine gewichtige Rolle.
Was Roman all jenen rät, die heuer erstmals Sportarten abseits der Piste ausprobieren wollen? „In eine Alpin-Schule gehen und einen Einsteiger-Kurs machen“, lautet seine kurze aber eindeutige Antwort. Denn die beste Ausrüstung hilft nichts, wenn man nicht weiß wie man sie im Notfall einsetzt - oder man nicht mit grundlegenden Techniken der neuen Sportart vertraut ist.
Die umfassendste Disziplin ist da mit Sicherheit das Skitouren gehen: „Im alpinen Gelände Skitouren zu gehen ist ein viel zu komplexer Sport, um das auf eigene Faust auszuprobieren. Da kommen viele Faktoren zusammen: Es beginnt mit der Kondition und der Technik beim rauf gehen, geht über das Können beim Skifahren selbst - und dann kommen noch Faktoren wie das Lesen eines Lawinenlageberichts, die Einschätzung alpiner Gefahren, aber auch das Handling von LVS-Gerät, Schaufel und Sonde und noch viel mehr dazu. Das ist so viel, dass man unbedingt einen Kurs machen muss - sei es beim Alpenverein oder einem Bergführer: Die vermitteln das extrem wichtige Basiswissen.“
Wenngleich beim Winter- oder Schneeschuhwandern die technischen Anforderungen überschaubarer sind - auch hier bewegt man sich in der Natur und teilweise durchaus im alpinen Gelände. „Da sollte man auch wissen, ob es gerade einen 1er oder einen 4er gibt.“ Mit „1er“ und „4er“ meint er die Lawinenwarnstufe und das heißt: Sobald man sich nicht mehr auf der Dorfrunde, sondern auf einem Wanderweg bewegt, gehört das Lesen des Lawinenlageberichts grundsätzlich zur Tourenplanung. Und weil man halt auch verstehen sollte, was der Lawinenlagebericht sagt und was die einzelnen Gefahrenstufen für welches Gelände bedeuten, rät Roman auch hier sich beim Experten/der Expertin schlau zu machen.
Tipp am Rande: In der Region Wilder Kaiser werden etwa im Rahmen des Aktivprogramms sowohl geführte Skitouren, wie auch geführte Schneeschuh- und Winterwanderungen angeboten - eine gute Gelegenheit um sich unter professioneller Anleitung dem neuen Sport anzunähern.
Aber Roman hat noch einen viel grundlegenderen Tipp für die Gäste der Region Wilder Kaiser: „Wenn ich eine derartige Unternehmung vorhabe und mir nicht sicher bin, ob die Verhältnisse passen: Fragt doch einfach mal euren Gastgeber. Der kennt sich ziemlich sicher soweit aus, dass er euch grundlegende Infos geben kann - und wenn nicht, weiß der, wen er bei den Bergrettern bzw. -führern fragen kann, der euch dann weiterhilft.“ Das Internet als Infoquelle sei mit Vorsicht zu genießen - vor allem dann, wenn man selbst keine Ahnung hat.
Es gibt kein schlechtes Wetter...
... nur die falsche Kleidung, lautet eine Binsenweisheit. Und das ist eine Sache, die man durchaus selbst in die Hand nehmen kann und bei der man nicht unbedingt eine Einführung durch den Profi braucht. Aber auch hier sind gute Tipps viel wert: „Das Zwiebelprinzip ist ja durchaus bekannt. Das heißt: Ich ziehe mich in Schichten an bzw. aus, um mich stets der Temperatur anzupassen. Beim Raufgehen wird mir wahrscheinlich auch im Winter recht schnell recht warm werden - oben bzw. beim runter gehen/fahren, wird’s aber doch recht schnell kalt. Also am besten mehrere Lagen, die man gut übereinander ziehen kann, in den Rucksack packen.“ Ein warmer Tee in der Thermoskanne schadet sicher auch nicht, eine umfassende Packliste fürs Winterwandern sowie viele hilfreiche Tipps zum sicheren Winterwandern findet ihr hier.
Was bei ihm im Rucksack niemals fehlen darf, frage ich Roman noch zum Abschluss: „Haube und Handschuhe. Da ist die Jahreszeit egal, die hab ich auch bei 30 Grad im Sommer dabei - auch wenn meine Familie mich da manchmal auslacht. Ich weiß, wie schnell es am Berg kalt und ungemütlich werden kann…“
Als gelernte Journalistin freut sich die ehemalige Presse-Verantwortliche der Region Wilder Kaiser immer, wenn sie einen Beitrag für unseren Blog gestalten darf. Egal ob Bergsport, Kulinarik, Politik oder Kultur – diese Frau hat zu jedem Thema tausend Fragen und stellt sie schon mal in einer Geschwindigkeit, dass ihren Gesprächspartner*innen hören und sehen vergeht. Nur gut, dass Theresa die vielen Gespräche mit interessanten Menschen aus der Region am liebsten schriftlich dokumentiert – und hier genug Platz zum Teilen hat.
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