Ein Wochenende im „Kaiser“: 48 Stunden im Banne „ihrer Majestät“, die Kletterer mit allerhand Felsvergnügen lockt und wie in Adelskreisen üblich, auf eine lange Historie zurückblicken lässt.
Wilder Kaiser – ein Gebirge wie ein Gemälde. Ein Gebirge, das mit seinen teils filigranen Felszacken und –nadeln und teils wilden und schroffen Formationen alle Blicke magisch auf sich zieht. Eine Diva, eine Majestät, die bitten lässt … Gekommen sind sie alle: Den Anfang machten Kletterpioniere wie Hans Dülfer und Mathias (Hias) Rebitsch, später kamen Helmut Kiene und Reinhard Karl und es folgten Stefan Glowacz und Wolfgang Müller, um nur einige zu nennen. Und heute?
Kletterparadies für Jedermann: Von Achleiten bis Schleierwasserfall
Heute treffen sich im Kaisergebirge Kletterer aus der ganzen Welt, um auf den Spuren der Pioniere sich wagemutig in deren kühnen Routen zu bewegen, oder um einige der europaweit härtesten Sportkletterrouten am Schleierwasserfall zu klettern. Aber auch Genusskletterer und Familien kommen im „Kaiser“ voll auf ihre Kosten. Seine Majestät bietet einen bunten Garten Eden, an dem alle Bergsport- und Naturbegeisterten ihre Freude haben.
Ein Kaiser-Wochenende: Ideen fürs Felsvergnügen samt Augen- und Gaumenschmaus
Ein Tag im Klettergarten Wilderer Kanzel
Schon die Auffahrt zum Ausgangspunkt an der Wochenbrunner Alm ist beeindruckend, schiebt sich doch das markante Gebirgsmassiv mit voller Wucht in den Blick und lässt einen lange Zeit in seinem Bann. Der Aufstieg zunächst auf breiter Forststraße bis zur Gaudeamushütte verläuft kurz danach in einen schmaleren und etwas steileren Pfad. Links und rechts blühen im Sommer bunte Almwiesenblumen und betören mit ihren bunten Farben und ihrem Duft. Bienen und Schmetterlinge summen und flattern fleißig-munter von Blüte zu Blüte. Der Weg biegt und gibt einen Blick auf sanfte Almböden und das Tal frei. Das Klettergebiet selbst ist ideal für heiße Sommertage geeignet, die Sonne zeigt sich in der Wand, aber die kühle Frische der Höhe von 1700 Metern schwächt die Hitze moderat ab. Der Klettergarten mit Süd-West-Ausrichtung bietet 33 Routen in bestem Kalk. Bei den Schwierigkeiten ist von 4 bis 8 (1 Route) alles dabei, die Absicherung ist sehr gut auch für erste Vorstiegsversuche geeignet. Brotzeit und ausreichend zu Trinken sowie Sonnencreme mitnehmen. Nach einem herrlichen Klettertag geht es auf dem gleichen Weg zurück Richtung Tal. Die Gaudeamushütte, liebevoll Gaudi-Hütte genannt, lockt mit Kaiserschmarrn und Kaltgetränken.
Familienfreundlicher Kaiserklettergarten: Murmeltier- und Gamsfelsen
Kleine Kraxlhelden werden die beiden idyllisch gelegenen Klettergärten Murmeltier- und Gamsfelsen lieben. Der Zustieg erfolgt von der Wochenbrunner Alm in ca. 40 Minuten zu den Felsriegeln, die nur wenige Gehminuten voneinander entfernt liegen. Lockmittel für kleine Laufmuffel: Ein dicker Kaiserschmarren auf der Gaudeamushütte, ein spaßiger Klettertag und später Rehe füttern und die weichen Mäuler streicheln an der Wochenbrunner Alm.
Insgesamt stehen kleinen Klettermaxen sowie Felsnovizen 16 perfekt abgesicherte Kletterrouten in den Schwierigkeitsgraden 3 bis 6+ (ein Tour) zur Verfügung. Die neu eingerichteten Sportklettergärten sind perfekt abgesichert für erste Vorstiegsversuche. Während der Gamsfelsen versteckt in einer kleinen Mulde liegt, kommen am Murmeltierfelsen Wanderer vorbei – die staunend den Kletterern zugucken und gerne auf den bequemen Holzbänken eine Pause einlegen. Der Platz ist auch für ganz kleine Outdoorfans geeignet, da die Felsen in einem nicht abschüssigen Gebiet liegen. Picknickdecke mitbringen.
Die Mischung macht`s – warum also nicht mal die Kletterschuhe gegen die Wanderschuhe eintauschen und anstatt ein Kletterseil, das Klettersteig-Sicherungsset in der Anseilschlaufe einbinden. Von der Wochenbrunner Alm geht es über die Gaudeamushütte, vorbei am Murmeltierfelsen zum Einstieg des Klamml-Klettersteigs.
Die Aussicht im 2013 eröffneten Steig ist gigantisch, der Tiefblick auch … Schon auf den ersten Metern heißt es ordentlich zupacken und die Füße gut setzen. Wer noch nie in einem Klettersteig unterwegs war, kann die Abläufe im nahegelegenen Übungsklettersteig ausprobieren und trainieren. Der erste Abschnitt endet mit einer kleinen Mutprobe: auf zwei wackeligen Drahtseilen gilt es in luftiger Höhe die Klamm zu überqueren. Augen auf und genießen – für alle anderen besteht hier die Möglichkeit den Klettersteig zu beenden. Auf der anderen Seite der Seilbrücke geht es dann in einem kurzen aber kräftigen Stück weiter bergwärts. Da brennt der Bizeps und die Brust schwillt an vor lauter Stolz. Noch wenige Höhenmeter trennen uns vom Ausstieg und einem sanften Weg durch Latschen zum Wanderweg. So ein Abenteuer verlangt nach einer deftigen Brotzeit auf der Gruttenhütte. Das Alpenvereinshaus liegt wie ein Adlerhorst und bietet von der herrlichen Sonnenterrasse traumhafte Ausblicke ins Tal und auf die gegenüberliegenden Berge. Seine Majestät, der Kaiser, hat mit der „Ellmauer Halt“ seinen höchsten Gipfel als Wachposten hinter der Hütte positioniert – der mächtige Gipfel wacht über die Hüttenbesucher. Der Weg zurück zum Parkplatz an der Wochenbrunner Alm führt das letzte Drittel durch einen dunklen Bergwald, der vor allem im Sommer für angenehme Temperaturen sorgt.
Regionaler Energiekick für sportliche Draußen-Tage
Das Landhotel Föhrenhof, etwas außerhalb von Ellmau gelegen, punktet durch ruhige Zimmer mit breiter Fensterfront, die einen unverbauten Blick auf den Kaiser bieten. Wahrlich ein erhabenes Gefühl vom Bett aus seiner Majestät eine Gute Nacht zu wünschen.
In der Küche führt Robert Told das Regiment. Er führt gemeinsam mit seiner Frau das Familienunternehmen in der zweiten Generation weiter. Sein Credo: Regionale Produkte, frisch zubereitet. Halbpensionsgäste können aus 3 unterschiedlichen Hauptgerichten wählen – und auch Vegetariern wird hier ein Herz geschenkt. Das Frühstücksbuffet bietet alles was Bergsportler für lange Tage benötigen von Eiweiß über Müsli, Obst, Vollkornbrot und leckerem Tiroler Käse – alles dabei.
Am Wochenende um den 21. Juni wird in der Region Wilder Kaiser, wie in ganz Tirol, Sonnwend gefeiert. Auf jedem Gipfel, in jedem Kar auf jedem Hügel werden ab der Dämmerung Feuer entzündet. Am besten kann man dieses magische Spektakel von der Kaiser-Gegenüberliegenden Bergseite genießen. Am Sonnwend-Samstag haben extra dafür viele Bergbahnen geöffnet. Gäste mit einem Tagesticket können umsonst nach oben schweben und bei einem leckeren Abendessen im Bergrestaurant die Feuer am Kaiser betrachten.
Gaudeamushütte – Die Alpenvereinshütte der Sektion Main-Spessart räumte im Jahr 2017 als „Österreichs liabste Hittn“ ab. Hausgemachte Kuchen auf der Sonnenterrasse mit Talblick lassen die Wander- und Kletterstrapazen schnell vergessen. Weitere Informationen und Buchung unter: www.alpenverein.de
Gruttenhütte– Die Alpenvereinshütte der Münchner Sektion Turner Alpenkränzchen steht wie ein Adlerhorst auf einem Plateau über den Westhängen des Gruttenkopf`s. Weitere Informationen und Buchung unter: www.gruttenhuette.at
Wochenbrunner Alm – Ausgangspunkt für Wanderer, Kletterer und Klettersteiggeher ist die Wochenbrunner Alm. Die große Terrasse mit angrenzendem Wildpark lädt zum erholsamen Ausklingen grandioser Tage ein.
Alle Unterkünfte sowie viele weitere Tourentipps und Wochenprogramme finden Sie unter: www.wilderkaiser.info
Kurz nachgefragt bei: Marcus Sappl, Tourismusmanager Scheffau und begeisterter Kaiser-Kletterer
Was macht für Dich das Klettern im Wilden Kaiser einzigartig?
Die Lage, gut mit Auto, Bahn, oder wie früher mit dem Fahrrad erreichbar. Du kannst dir je nach Wetter Nord- oder Südwände aussuchen. Es ist für jeden Geschmack Kletterkost vorhanden, Ob 3er- oder 4er-Routen oder für den Hardmover im 10.Grad. Absicherung von Plaisir bis fast ganz ohne Haken.
Warum sollte jeder Kletterer einmal im Wilden Kaiser geklettert sein?
Der harte und strukturierte Wettersteinkalk des Kaisergebirges gibt dir als Kletterer ein unglaubliches Erlebnis zurück, wenn du dich auf ein Spiel mit seinen Besonderheiten einlässt. Nicht umsonst wurde hier im Kaiser immer wieder Klettergeschichte geschrieben, die Besten jeder Epoche des Kletterns hinterließen ihre Spuren im Koasa. Nicht zu vergessen 1977 wurde mit den Pumprissen die erste Tour im 7. Grad erstbegangen, und damit die UIAA Skala nach oben geöffnet. Darum sollte jeder Alpinkletterer, einen Klassiker oder eine Plaisirtour vom Wilden Kaiser in seinem Tourenbuch stehen haben.
Wie sieht für Dich ein perfekter Kaiser-Kletter-Tag aus?
Mit einem guten Freund an nahezu perfektem Fels und nervenschonender Absicherung unterwegs zu sein. Danach auf einer Berghütte zu sitzen, das Tourenabschlussbier zu genießen, und wie es unter Kletterern üblich ist, mit Gleichgesinnten über die gerade gemachten Klettermeter zu philosophieren.
Klettergeschichte – wie alles begann
Dülfer, Rebitsch & Co. – der Kaiser bittet zur Fels-Audienz
Schon im 19. Jahrhundert erlebte die Region Wilder Kaiser seine erste Kletter-Hochphase samt touristischer Erschließung: Alpinismus und Tourismus gehören im „Kaiser“ zusammen wie Dülfer und die Fleischbank-Ostwand. Der gebürtige Wuppertaler kam 1911 für´s Studium nach München – die Nähe zu den Alpen war zu verlockend. Und so war Dülfer auch mehr in den Felswänden anzutreffen als im Hörsaal. Ganze 50 Erstbegehungen in 4 Jahren gehen auf sein Konto – viele davon im Kaisergebirge. Die Anbindung mit der Bahn bis Kufstein war perfekt und wurde zu Anfang des 20. Jahrhunderts von Kletterern und Erholungssuchenden gleichermaßen rege genutzt. Dülfer hätte sich in heutiger Zeit sicherlich ein Ferienticket gelöst, bei derlei vielen „Kaiser-Audienzen“. Und so wundert es auch nicht, dass beispielsweise die Totenkirchl-Westwand und die Fleischbank-Ostwand durch den Kletterpionier Dülfer erstbestiegen wurden. Auch Mathias (Hias) Rebitsch war ein umtriebiger Chemiker, der von Innsbruck aus mit Rad und Bahn ins Gebirge fuhr. Es ist wohl anzunehmen, dass er am Chemielabor vorbeigefahren ist. Seine Forschungen aber fanden allesamt in den Bergen statt. Rebitsch erforschte mit Hingabe Felswände auf ihrer Kletterbarkeit. Eines seiner Meisterwerke ist der „Rebitschriss“ am Fleischbankpfeiler. Die alpine Tour zählte lange Zeit zu den schwierigsten Routen im Kaiser und wird auch heute noch als „ernste Risskletterei“ beschrieben.
Neue Kletterära – neues Kaisergewand: „Des Kaisers neue Kleider“
Neben den Alpinklassikern, die durch ihre teils sehr spärliche Absicherung einiges an Kühnheit, Wagemut und Nervenstärke abverlangten und auch immer noch abverlangen, etablierten sich im Kaiser auch eine neue Generation Kletterer, die alpine Sportkletterrouten in höchsten Schwierigkeitsgraden eröffneten. Mit Ausnahmekletterer Stefan Glowacz begann die Erschließungswelle der Plaisirrouten im Kaiser. Mit seiner Route „Des Kaisers neue Kleider“ setzte er ein beachtliches Plaisir-Statement am Fleischbank-Pfeiler. Bis heute finden ortskundige „Koasakraxla“ neue Linien die zum Klettern einladen.
Die Allgäuerin lebt seit über 15 Jahren im oberbayerischen Exil und findet das ausgesprochen gut, vor allem weil sie es nach Tirol nicht weit hat, ihrer selbsterklärten Lieblingsregion. Susa schreibt am Liebsten über ihre beiden Leidenschaften: Bergsport und Reisen. Wenn es ginge, dann würde sich bei ihr an 365 Tagen alles nur um die Berge drehen: Als Rückzugsort, Energiequelle und Spielplatz für ihre Leidenschaften Klettern und Skitouren.